Nach coronabedingter Abstinenz gewinnt der Kulturbetrieb allmählich wieder an Fahrt. Schubkraft verleiht unter anderem Aalens neuer Kulturbahnhof. Und wenn Covid 19 diese in allerletzter Minute nicht doch wieder ausbremst, werden Aalens derzeit laufende Kulturwochen mit etwas ganz Neuem aufwarten können: dem "Aalen Festival Orchester".
Am 16. Oktober 2020 stellte sich dieses "AALEN Festival Orchester" mit seinem künstlerischen Leiter Gero Wittich erstmals der Öffentlichkeit vor. Den Kern des Orchesters bilden Profimusiker - teils Hochschulprofessoren oder Mitglieder renommierter Orchester (u.a. WDR Sinfonieorchester, Essener Philharmoniker, Staatstheater Kassel) - aus der Region. Aus ihrem großen Netzwerk bringen sie Freunde und Kollegen mit, um gemeinsam zu konzertieren. Auf dem Programm standen bei der Premiere: „Große Oktette“ – Beethovens Bläseroktett Es-Dur op. 103 und Mendelsohns Streichoktett Es-Dur op.20.
Wir haben mit Gero Wittich über die Musiker, das Orchester und über das Konzert gesprochen.
Aalen hat doch sein Sinfonieorchester, wozu nun auch noch ein Festival Orchester?
Aalen hat bereits einige Klangkörper: Das Aalener Sinfonieorchester, das Collegium Musicum, das Städtische Orchester, darüber hinaus gibt es hier die Junge Philharmonie Ostwürttemberg und einige weitere. Eine solche Vielfalt finde ich großartig.
Das AALEN Festival Orchester erweitert und bereichert die Aalener Kulturlandschaft in meinen Augen durch sein eigenständiges, besonderes Profil.
Wie wird es sich zusammensetzen, um sich von den anderen zu unterscheiden? Auf Dauer fest besetzt oder wechseln die Musiker?
Den Kern des Orchesters bilden Profimusiker, die aus unserer Region kommen und jetzt Hochschulprofessoren oder Mitglieder renommierter Orchester sind, wie z.B. dem WDR Sinfonieorchester, den Essener Philharmonikern oder dem Staatstheater Kassel. Daher liegt ihre nationale und internationale Wirkungsstätte inzwischen weitestgehend außerhalb Aalens. Für das AALEN Festival Orchester kommen sie zurück in ihre Heimat und bringen aus ihrem großen Netzwerk Freunde und Kollegen mit. Viele davon haben bereits selbst in Aalen konzertiert.
Die Akteure stehen auch für die hohe Qualität der musikalischen Ausbildung in unserer Region – in Musikschulen und Ensembles wie beispielsweise dem städtischen Orchester oder der Jungen Philharmonie Ostwürttemberg (JPO).
Und sie bieten einen festen Stamm, der je nach Programm ergänzt bzw. angepasst wird.
Wer ist aktuell dabei?
Für unser Gründungskonzert kommen 17 Musiker zusammen. Neben Künstlern aus unserer Region, wie z.B. Prof. Frank Forst (Fagott), Marlene Pschorr (Horn) oder Miriam Klaeger (Cello), ist auch das Agade Quartett vertreten, sowie weitere hochkarätige Musiker, wie z.B. Erika Geldsetzer vom Faure Quartett oder Mitglieder des Staatsorchesters Stuttgart und des Brucknerorchesters Linz
… und mit den Damen und Herren lässt sich welche Art von Musik in Szene setzen?
Von Kammermusik bis hin zu großer Sinfonik sind für mich prinzipiell keine Grenzen gesetzt.
Alte und Neue Musik?
Der Schwerpunkt des Repertoires liegt auf Klassik bis Spätromantik, aber auch Ausflüge zu Jazz oder Popularmusik kann ich mir gut vorstellen.
Klassisch gespielt oder auch mal experimentell wie bei den Kollegen vom ensemble πk?
Wir starten klassisch ?
Welche Generation an Zuhörern wollen Sie ansprechen?
Betrachten wir dafür die Musiker, die „sprechen“. Von Anfang zwanzig bis Anfang fünfzig sind hier bereits einige Generationen vertreten. Dieses Spektrum möchten wir bezogen auf unsere Zuhörer gerne noch erweitern. Die Begeisterung für die Musik darf auf alle überspringen - auf den (musikalischen) Nachwuchs genauso wie auf die erfahrenen Konzertbesucher.
Für das Premierenkonzert im Oktober haben Sie Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy ins Boot geholt. Warum gerade die Beiden?
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen sind diese Stücke große Kammermusikwerke, die in dieser Form nur selten zu erleben sind und einen ausgezeichneten Vorgeschmack auf den vereinten Klangkörper bieten. Sie passen zudem zum Repertoire, für das das AALEN Festival Orchester steht. Beides sind Frühwerke – auch wenn man das bei der Opus-Zahl 103 zunächst nicht vermuten würde. Damit sind die Werke quasi Vorboten für das spätere Schaffen der Komponisten und die konzertierenden Musiker die Vorboten des geeinten Klangkörpers.
Und nicht zuletzt ist ja Beethoven-Jahr. Das ist wegen Corona deutlich zu kurz gekommen. Daher finde ich es sehr passend, diesem nicht so oft gehörten Meisterwerk eine Bühne zu geben.
Damit setzen sie zugleich auf Harmoniemusik mit Holz- und Blechbläsern.
Mir war wichtig, dass alle Gruppen des Orchesters im Eröffnungskonzert vertreten sind – sowohl Streicher als auch Bläser.
Bläser in Coronazeiten? Muss man sich da nicht ein wenig fürchten?
Wir werden uns selbstverständlich an Vorgaben und Hygienekonzept halten, um keine Gefährdung zu riskieren. Mit geeigneten Maßnahmen sind Musiker und Publikum ausreichend geschützt, dazu liegen auch entsprechende Studien von Charité und Universitätsklinikum Freiburg vor.
Beim Konzert wird Beethovens op. 103 gespielt. Aber laut Beethovens Intimus Schindler "existiert weder ein Op. 103 noch ein Op. 104 als Originalwerk" (Zitat) und der Komponist selbst hat zeitlebens die Opuszahl 103 freigelassen. Ohne allzu viel zu verraten zu wollen, was für ein Stück spielen Sie dann eigentlich?
In der Tat erhielt das Werk erst im Jahr 1851, also 24 Jahre nach Beethovens Tod, vom Breitkopf & Härtel Verlag
die Opuszahl 103. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Frühwerk, das er als 21 jähriger im Jahr 1791 komponiert hat und selbst nie zur Veröffentlichung freigegeben hat.
Damit ist zugleich sichergestellt, dass die Zuhörer "eine Fülle von in Wohllaut getauchte" Musik hören werden, wie Hugo Riemann in seiner Beethoven-Biographie schwärmt?
Durchaus – das lyrische, harmonische, zeitweise virtuose Zusammenspiel von Oboen, Klarinetten, Fagotti und Hörnern hat eine ganz besondere und reizvolle Wärme.
Da fügt sich Felix Mendelssohn-Bartholdys Oktett Es-Dur op.20 glänzend ein, auch wenn hier statt der Bläser nun die die Violinisten sozusagen die erste Geige spielen. Ein beabsichtigt unterhaltsamer Kontrast?
Die beiden Oktette ergänzen sich ausgezeichnet. Auf den erwähnten „Wohllaut“ des Bläseroktetts folgt der Elan, der Esprit und die sprühende Virtuosität des berühmten
Streichoktetts.
Kann das neue Orchester mit dem Konzert zugleich ein nachhaltiges Zeichen für hervorgehobene Musik in diesem neuen Kulturbahnhof setzen?
Die Gründung des AALEN Festival Orchesters einhergehend mit der Eröffnung des Kulturbahnhofs, die Verbundenheit des Ensembles mit Aalen, das außerordentliche künstlerische Niveau – all diese Aspekte sind eine sehr gute Voraussetzung für ein nachhaltiges Zeichen. Ich wünsche mir, dass das AALEN Festival Orchester der Stadt Aalen eine neue, eigene Stimme geben wird.
Nachhaltig auch im Sinne von Fortsetzung folgt? Gibt’s eventuell gar schon einen anvisierten Termin?
Die derzeitige Corona-Situation macht eine konkrete Planung schwierig, aber eine Fortsetzung im nächsten Jahr ist fest geplant – am besten mit Bläsern und Streichern gemeinsam im vereinten
Klangkörper.
Mitwirkende Beethoven Oktett |
|
|
Oboe |
|
|
Andreas Mendel |
Solo-Oboist Bruckner Orchester Linz |
|
Anna Oberhuber |
u.a. Substitutin Bruckner Orchester Linz |
|
Klarinette |
|
|
Prof. Julius Kircher |
Professor Musikhochschule Karlsruhe |
|
Juliane Trost |
u.a. Praktikantin Hamburger Sinfoniker, |
|
Fagott |
|
|
Prof. Frank Forst |
Professor Musikhochschule Weimar |
|
Sebastian Mangold |
Stellvertr. Solo-Fagottist Staatsorchester Stuttgart |
|
Hannah Bregler (Kontra-Fagott) |
u.a. Staatsorchester Hannover |
|
|
|
|
Marlene Pschorr |
WDR Sinfonieorchester |
|
Markus Brenner |
Staatsorchester Kassel |
|
|
|
|
Mitwirkende Mendelssohn Oktett |
|
|
|
|
|
Violine |
|
|
Erika Geldsetzer |
Faure Quartett |
|
Amelie Wünsche |
Essener Philharmoniker |
|
Angelo Bard |
Essener Philharmoniker, Agade Quartett |
|
Clemens Ratajczak |
Essener Philharmoniker, Agade Quartett |
|
Viola |
|
|
Johanna Maurer |
u.a. Substitutin Münchner Philharmoniker |
|
Gero Wittich |
Agade Quartett |
|
Violoncello |
|
|
Miriam Klaeger |
Essener Philharmoniker |
|
Christian Fagerstroem |
Sinfonieorchester Münster, Agade Quartett |
|
Fett gedruckt: aus unserer Region |
|
|